Kurz nach Mitternacht können wir an Bord des Flugzeuges gehen. Gegen 0:30 Uhr beginnt unsere Flugreise. Nach einer kurzen Rundfahrt über das Rollfeld des Rhein-Main-Flughafens erreicht die Boeing 767 endlich die Startbahn und hebt ab gen Süden. Jetzt können wir uns erstmals zurücklehnen und entspannen. Die Besatzung reicht uns einen Imbiß und wir versuchen, etwas Schlaf zu finden - was natürlich nicht leicht fällt, wenn man zum ersten Mal nach Afrika fliegt.
Durch das Kabinenfenster neben meinem Sitz kann ich in der Dunkelheit nicht viel sehen, außer ein paar Wolken und dem Mondlicht, das sich auf Gewässern spiegelt wie in Pfützen nach einem Regenguß. Ich kann mich nach den Navigationsinfos auf dem Bord-Fernseher orientieren und erkenne so die Alpen und die Mittelmeerküste. Auch Rom sehe ich wieder - zum ersten Mal seit meiner Klassenfahrt 1986. Allerdings kann man aus 10.700 Metern Höhe keine Einzelheiten mehr ausmachen.
Wir verlassen Europa über das Mittelmeer und erreichen nach nur zwei Stunden Flugzeit Afrika. Unser Flug soll etwa acht Stunden dauern. Wir werden also noch weitere sechs Stunden über Afrika fliegen, was uns schon einen ersten Eindruck von der Weite dieses Kontinentes gibt.
Nordafrika ist aus der Luft betrachtet, recht langweilig, da es außer Wüste nicht viel zu sehen gibt. Besonders nachts sind nur ein paar erleuchtete Feuerstellen auszumachen.
Gegen Morgen überfliegen wir die kenianische Grenze nach Süden und später
Nairobi, um dann nach Osten zu drehen, in Richtung des Indischen Ozeans.
Dabei können wir bereits einen ersten Blick auf den höchsten Berg Afrikas
erhaschen, den Kilimandscharo (5895 m).
Der erste europäische "Entdecker", der am 11. Mai 1848 von der Sichtung
dieses Berges mit seinem schneebedeckten Gipfel schrieb, war übrigens ein
anderer Deutscher namens F. Rebmann. Damals erschien den meisten Europäern
Schnee in Afrika unmöglich.
Wir können uns nun mit eigenen Augen davon überzeugen, dass es mitten in
der afrikanischen Steppe wirklich Schnee gibt. Was für ein Anblick!
Beim Eintauchen in die Wolkendecke werden wir ordentlich durchgeschüttelt. Dank des Rückenwindes landen wir fast pünktlich, um 9:35 Uhr Ortszeit, auf dem Moi International Airport bei Mombasa. Es regnet auch hier! Vom klimatisierten Flugzeug gelangen wir über einen überdachten, aber luftdurchlässigen Korridor in die Empfangshalle, wo uns feucht-warme Luft entgegenschlägt. Nach der Einwanderungskontrolle und der Gepäckausgabe kommen wir zum Zollkontrolleur, der uns nur nach Videoausrüstung fragt und uns dann durchwinkt.
Gleich nach der Ankunft wechsele ich Deutsche Mark in Kenianische Schillinge um - leider gibt mir der Kassierer nur große Banknoten, was sich später als Problem erweisen wird. Daher ein Tip: möglichst kleine Scheine geben lassen!
Vor dem Empfangsgebäude laufen wir direkt einem Neckermann-Reiseleiter in die Arme, der uns gleich an einen der Stände unter dem großen Vordach dirigiert. Dort erleben wir zum ersten Mal die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft des kenianischen Volkes. Der Gepäckservice sorgt für die Überführung der Koffer ins Hotel - auf die Safari kann man nämlich nur eine Reisetasche mitnehmen. Der einheimische Gepäckträger will uns doch glatt auch unsere Reisetaschen abnehmen!
Nachdem ich es ihm ausgeredet habe, erklärt uns eine andere Reiseleiterin, wo wir unseren Bus finden und dass wir uns erst einmal "Safari-fertig" machen können - was wir nach der Wartezeit in der Hitze am Gepäckband auch dankbar annehmen. Das schwüle Klima legt uns dringend kurze Hosen nahe - auch wenn man sich damit als Tourist outet - aber auf der Safari ist man ohnehin nur unter Touristen.
Zurück am Neckermann-Stand nimmt uns "unser" Gepäckträger sogleich die Reisetaschen ab, aber diesmal, um sie für uns zum Bus zu tragen. Daran muß man sich erst einmal gewöhnen, wenn man aus der "Dienstleistungswüste" Deutschland kommt. Inzwischen hat der Regen übrigens aufgehört. Für den Rest des Tages werden nur hin und wieder ein paar erfrischende Tropfen vom Himmel fallen.
Unser Bus ist ein japanischer Kleinbus mit 10 recht bequemen Sitzen. Da wir nur vier Paare und ein Fahrer sind, bleibt ein Platz frei. So ist trotz des Handgepäcks genug Platz, um entspannt zu sitzen.
Als wir im Bus platzgenommen haben, der für die nächsten 4 Tage unser zweites Zuhause werden soll, stellt sich unser Fahrer/Führer vor: "Jambo! Mein Name ist Baff - ich bin Baff!" Und das sind wir auch. Er spricht gut Deutsch. Abgesehen davon ist in Kenia Englisch offizielle Amtssprache und die meisten Kenianer sprechen es neben der Sprache ihres jeweiligen Stammes, da es in jeder Schule gelehrt wird.
Baff erklärt uns, dass wir heute etwa 120 km vom Flughafen zum Camp fahren werden und dass dies etwa drei Stunden dauern wird - "zum Teil Autobahn - zum Teil pole pole". In Kenia wird aus britischer Tradition noch immer links gefahren, aber Kenia hat das Systéme International d´Unités - das internationale Einheitensystem mit Metern, Kilogramm usw. eingeführt.
("Jambo" und "pole pole" sind übrigens Begriffe aus dem Kisuaheli - einem Sprachgemisch aus Bantu-Sprache und Arabisch. "Jambo" bedeutet "Hallo" und "pole pole" soviel wie "langsam". Kisuaheli ist in ganz Ostafrika verbreitet und stammt aus der Zeit, als die Omani die Küste beherrschten. "Kisuaheli" heißt "Sprache der Suaheli" und "Suaheli" wiederum bedeutet nichts anderes als "Küstenbewohner" - aber ich schweife ab.)
Um 10:30 Uhr fahren wir los. Unser Fahrer hat nicht übertrieben - die "Autobahn" von Mombasa in Richtung der Hauptstadt Nairobi ist eine - nun, Schlaglochpiste wäre untertrieben - sagen wir Herausforderung. Wir fahren mal auf spärlichen Asphaltresten und mal auf welligen Sandpisten neben der Straße. (Später werden wir erfahren, dass der Regen Ende letzten Jahres die Straße teilweise weggespült hat.)
Baff ist ein Teufelskerl! Während er uns etwas über Kenia erzählt, und mit einer Hand auf interessante Dinge in der Umgebung zeigt, umfährt er mit der anderen Hand zielsicher die Schlaglöcher - mal auf der linken und mal auf der rechten Straßenseite. Der Verkehr ist beeindruckend. Wir überholen zahlreiche schwere Lastwagen und weichen dem entgegenkommenden Verkehr aus - teilweise auf der rechten Seite!
In einem Nest namens Maungu verlassen wir die "Autobahn" nach Süden um nach zehn Kilometern gegen 13:30 Uhr unser Ziel zu erreichen. Westermann's Safari Camp ist herrlich gelegen, auf der Westseite eines Felsenberges. Die Rezeption/Bar des Camps ist direkt an einen großen Felsen angebaut, der von mehreren Tischen umgeben ist. Das alles wird von einem Palmdach bedeckt und stellt gleichzeitig das Restaurant des Camps dar.
Insgesamt sind heute vier Safari-Busse eingetroffen, die alle dieselbe Safari unternehmen. Nachdem wir eingecheckt haben, zeigt uns ein Träger unsere Unterkunft - eine einfache Holzhütte mit Waschgelegenheit und Dusche. Das ist besser als wir in dieser Wildnis erhofft hatten. Nur die Toiletten befinden sich in einer Extra-Hütte - aber immerhin mit richtiger Wasserspülung!
Wir kehren zum Restaurant zurück und nehmen dort unsere erste kenianische Mahlzeit ein. Nach der Mittagspause wird um 16:00 Uhr der Nachmittagstee serviert. Bei dieser Gelegenheit kündigt uns die deutsche (!) Betreiberin des Camps an, dass wir den Nachmittag zur freien Verfügung hätten. Sie erklärt, dass wir entweder den Berg besteigen oder ein Dorf besichtigen können. Einstimmig entscheiden wir uns für den Berg und so brechen wir gegen 16:30 Uhr auf in Richtung Gipfel.
Von unten scheint sich der Berg wie eine Wand senkrecht aus der Ebene zu erheben. Der Aufstieg führt aus etwa 600 m über dem Meer bis auf etwa 800 m über dem Meer. Das erscheint wenig, aber uns läuft nach wenigen Metern bereits der Schweiß von der Stirn. Die Luft ist heiß und der Felsen reflektiert das Sonnenlicht. Schließlich erreichen wir doch den Gipfel und werden mit einem Rundblick über die Steppe belohnt. Wir sehen eine endlose Ebene mit vielen weiteren Bergen.
Es gibt hier übrigens keinerlei Sicherheitsvorkehrung. Wir stehen unmittelbar vor dem Abgrund. So können wir direkt nach unten sehen und haben einen uneingeschränkten Überblick über das Camp. Unter dem großen, runden Dach ist das Restaurant, von dem ein Weg zum Eingang des Camps, der andere zum Swimming-Pool führt. Um das Restaurant herum sind die Hütten gruppiert. Weiter links befinden sich - ebenfalls unter Palmdächern - einige Zelte.
Wir steigen auf der Rückseite des Berges wieder herab. Dieser Weg erweist sich als unwegsamer als der Aufstieg. Erschöpft, aber zufrieden über den gelungenen ersten Tag in Kenia erreichen wir das Camp und stürzen uns kurz darauf in den Pool. Das haben wir uns jetzt auch verdient.
Inzwischen hat sich die Sonne dem Horizont genähert. Die frühe und kurze Dämmerung in Äquatornähe überrascht uns. Während wir auf dem Berg waren, hat der Koch bereits ein Barbecue vorbereitet. Gegen 19:30 Uhr versammelt sich unsere Reisegesellschaft im Licht der Petroleumlampen auf der Terasse oberhalb des Pools. Müde und in Erwartung der kommenden Tage ziehen wir uns schon bald in unsere Hütte zurück.
Unsere erste Pirschfahrt unternehmen wir am Sonntag, den 30. Mai.